31. August 2025
Nach 2014 und 2017 bin ich heuer zum dritten Mal in Zell am See beim IM70.3 am Start. Für mich ungewöhnlich mache ich heuer ein „Halbdistanz Jahr“ ganz ohne Langdistanz-Höhepunkt:
– Valencia, Spanien / Ende April – war für uns beide schon mal ein sehr guter Auftakt in die Saison
– Hradec Kralove, Tschechien / Mitte August – ist wegen hartnäckigem Husten (bzw. Bronchitis bei Wolfgang) kurzfristig für beide ins Wasser gefallen
– Zell am See / Ende August – da war die Vorfreude wegen der Absage davor noch größer
– Antalya, Türkei / Anfang November – als Saisonabschluss mit Wolfgang, Karin und Ingeborg gemeinsam am Start
Aus 4 Rennen sind gleich mal 3 geworden und in Zell am See hätte ich auch beinahe kein Ziel gesehen…. Aber alles der Reihe nach.
Nach 14 Jahren mit meinem Specialized Shiv (Anmerkung: Triathlonrad) habe ich mich aus Sicherheitsgründen dazu entschlossen, auf ein neues Zeitfahrrad mit Scheibenbremsen umzusteigen. Lieferung Anfang September, darum sollte Zell am See mein letzter Wettkampf mit dem Shiv werden. Man könnte fast glauben, so ein Rad hat ein Eigenleben. Hat es mich doch während dem Rennen abgeworfen!! Aber gleich so, dass es selbst keinen Kratzer hat, stattdessen aber Teile von mir herhalten mussten.
Gleich zu Beginn der Radstrecke, im engen Kanal nach der Wechselzone, beim Dahinrollen und gleichzeitig Schuhe anziehen, wie immer mit einem Auge nach vorne blickend und mit dem anderen Auge bzw. mit der Hand am linken Schuh, spüre ich, wie mich rechts hinten jemand anschiebt. Und da lieg ich schon. Von der linken Seite fahrend plötzlich am rechten Rand des Radkanals. Ich sehe den Himmel, dann mein Rad und stehe mit dem Rad in der Hand gleich auf. Fühle mich verdreht. Helm und Brille sind etwas verrutscht. Zuschauer greifen über das Absperrgitter und wollen mir helfen. Sie halten mein Rad, während ich meinen linken Schuh wieder einsammle (der war ja eigentlich schon am Fuß). Die Flaschen sind dran und meine rechte Hüfte schmerzt.
„Willst du weiterfahren?“ ein Zuschauer. „Ja, ich probier’s“
Rechtes Bein drüber, tut a bissi weh, aber ich sitze und kann fahren. Eh klar, Schock, Adrenalin…. zum Glück haben wir diese Hormone.
Ich fahre langsam den engen Radkanal weiter, die Straße wird endlich breiter, mehr Platz zum Fahren, da sehe ich schon Wolfgang am linken Straßenrand stehen. Er wünscht mir alles Gute – also wie man das halt so sagt zum Beginn der Radstrecke 😜
Ich bin saumäßig angepisst von diesem Sturz, aber heilfroh, dass ich weiterfahren kann (das hoffe ich zumindest) und dass mein Rad nichts abgekommen hat (so wirklich kontrolliert habe ich das gar nicht. Mir war nur wichtig, dass die Verpflegung am Rad ist.) Beim Schalten merke ich, dass an der rechten Hand Zeige- und Mittelfinger bluten und extrem dick sind. Schnell abschlecken, damit ich das Blut nicht verteile. Tut a bissi weh. Aber noch mehr spür ich den Nacken. Kann nur langsam und vorsichtig mein Kinn zur Brust ziehen, um zum Tretlager zu schauen. Aber ich kann dafür treten – trotz Ziehen am rechten Hüftbeuger.
Also „aufi“ aufn Filzensattel bei Dienten. Die Wut im Bauch ist groß und treibt mich an. Kann Zeit gut machen, die ich durch den Sturz verloren habe. Wieder zurück in Zell am See (aber noch nicht am Ende der 90km Radstrecke) ruft mir Wolfgang zu, dass ich auf Platz 6 liege. Yeah!! Ich freue mich. Die Hüfte hält anscheinend und Hand und Nacken brauche ich ja eh nicht für’s Laufen danach.
Dann nach etwas über 3h am Rad endlich zurück in Zell. Nur mehr der Halbmarathon – und den bei dieser mega tollen Stimmung!! Herunter vom Rad und …… ups bzw. sch…. Da ist er, der Schmerz in der rechten Hüfte. Ich kann nicht aufsteigen. Ich stütze mich am Rad und verbiege mich gleichzeitig vor Schmerzen. Wie kann das sein? 3h am Rad nur ein mehr oder weniger starkes Ziehen und jetzt ist Gehen fast unmöglich?
Ich humple zum Wechselplatz. Rad einhängen. Jetzt kann ich mich abstützen auch nicht mehr. Weiter zu den Laufsäcken. Ich sitze, ziehe mir langsam meine Laufschuhe an. Schnell geht grad gar nichts. Ich könnte weinen, schreien…. Was soll ich tun? Der Schmerz ist groß. Aber ich will da hinaus. In die Menge. Die großartige Stimmung erleben. Ich werde es versuchen. Aufhören kann ich immer noch. Also aufstehen, durchatmen und…… leider noch ein Frauenproblem erledigen (das auch noch 🙈). Beim Herunterziehen vom Einteiler sehe ich die Abschürfung am rechten Hüftknochen. Der Einteiler hat aber gehalten.
Ich „wandere/humple“ (was auch immer) die sowieso schon lange Wechselzone hinaus. Heute dauert sie für mich aber noch länger. Draußen viiiele Zuschauer, die dich antreiben. Da kannst du nicht anders, als zu laufen. Es tut weh und es steht mir bis in den Rachen hinauf, aber ich will das unbedingt ins Ziel bringen. Ich will es so lange wie möglich aushalten und zumindest alles versucht haben. Dieses Rennen ist ein Quali-Rennen für die IM70.3 WM in Nizza 2026. Nach dem neuen Qualifikationsmodus zählt nicht nur der Rang in der Altersklasse, sondern auch die Gesamtzeit, die nach einem Altersklassenfaktor zur Bestzeit in diesem Rennen in Relation gesetzt wird. D.h. nicht nur die Mädels aus meiner Altersklasse sind meine Konkurrenten, sondern alle Mädels, egal ob 25, 40 oder 55.
Nach 2-3km ist mir klar, dass ich die Chance habe, das durchzuziehen. Meine Pace ist gleichmäßig, zwar langsamer als ohne Sturz möglich, aber noch immer schneller als anfangs vermutet. Es macht keinen Spaß, aber es kann auch nicht immer lustig sein. Dafür ein extrem leiwandes Publikum.
Nach 5km sehe ich zuerst Verena an der Strecke beim Campingplatz stehen (also quasi vor unserer Haustüre) und danach auch schon Wolfgang. „Hatte Crash“ ruf ich ihm zu. Er ist total verblüfft, aber er hatte schon etwas vermutet, weil ich viel zu viel Zeit in T2 liegen hab lassen.
Ich bin noch immer auf Platz 6, meine Pace ist sehr stabil und der Abstand zu 5 und 7 ist recht groß, aber jede Sekunde zählt. Diese neue Qualifikationsregel macht das Rennen spannend. Also vorbei an jeder Frau. An was Schönes denken (ans Ziel). Durchbeißen und dankbar sein, dass ich schon so weit gekommen bin.
Und da ist es – das Ziel. Einmal noch bergauf in Zell am See, hinein in den Zielkanal. Sprinten, was der Körper noch hergibt. Weinen – fast – kostet aber zu viel Energie. Dankbar sein. Für alles.
Mädel, du hast es geschafft. Kopf und Körper haben es gemeinsam geschafft.
Platz 6 konnte ich halten und ich bin um eine große Erfahrung reicher.
Natürlich empfehle ich niemandem, mit dieser Verletzung zu laufen. Ein Schmerz ist ein Signal. Andererseits machen mich 30 Jahre Ausdauersport sehr sensibel und ich kann vieles in mir gut „erspüren“.
Darum schnell wieder gesund werden und dann voller Fokus auf den IM70.3 in Antalya 😊
Danke an meine beiden 😍😍 Groß wie Klein, oder besser gesagt „Alt wie Jung“. Es war wichtig, dass Wolfgang und Verena heute an der Laufstrecke gestanden sind. Es wäre sonst noch schmerzhafter gewesen.
AK50 Platz 6
S: 0:42:31
T1: 0:05:22
B: 3:06:37
T2: 0:08:56
R: 1:59:43
total: 6:03:09
Slot für die WM knapp verpasst. Beim nächsten Mal muss ich in T2 weniger herumsitzen und wieder laufen, anstatt gehen 🙈