Rennbericht IM WC Kailua Kona, Hawaii – 12.Oktober 2019
Der Tag der Tage beginnt um 04:00 Uhr im Apartment am Rand von Kona. Wir (Renate u. Kathi) wohnen in rund 400m Seehöhe mit Blick auf den Pazifik. Die paar Höhenmeter machen die Nächte mit Temperaturen um die 20° sehr angenehm. Die Fahrtzeit zum Startbereich beim Dig Me Beach beträgt rund 10‘. Der erste Programmpunkt ist das Body Marking, bei dem per Tattoo die Startnummer an den Armen angebracht wird. Anschließend wird das Körpergewicht gewogen (warum weiß ich nicht) und dann geht’s zum Rad. Die am Vortag abgegebenen Wechselsäcke sind am Renntag nicht mehr zugänglich (auch diese Frage konnte nicht beantwortet werden – manchmal machen die Amis Sachen, die einfach nicht zu durchschauen sind!). Beim Aufpumpen der Reifen bin ich diesmal besonders genau, denn zu deutlich ist noch der Knaller des Reifen Platzers vom Walchsee ins Gehirn eingebrannt. Denn zwischen 08:15 Uhr – 08:30 Uhr, die Zeit wo ich auf’s Rad steige, heizt die Sonne bereits voll auf den Pier = Wechselzone.
Um 06:15 Uhr wird die WZ geschlossen, 10‘ später Start der Pro Herren, um 06:30 Uhr sind die Pro Damen dran. Zum ersten Mal wird der Start der Altersklassen in Wellen abgehalten: Ab 06:55 Uhr starten die Herren in 4 Wellen (18-39, 40-44, 45-49, 50+) dahinter die Damen in 3 Wellen (18-39, 40-54, 55+) mit je 5‘ Abstand. Vor den Herren sind noch die Paraathleten dran und nach den Damen die Starter aus dem Legacy Programm (sind spezielle Leute, die mindestens 12 Ironman gefinisht haben, zwar keine Qualifikation haben, sondern auf Einladung von Ironman starten dürfen.
07:05 Uhr: Die letzte Männerwelle wird ins Wasser gelassen – ca. 100m zur Startlinie schwimmen – Orientierung!? – eine Gerade bestehend aus roten Bojen, nach ca. 1800m ein Tauchboot, welches als Wendeboje fungiert. Nur das Boot ist nicht zu sehen, wenn man im Wasser ist – dazu sind die Wellen zu hoch. Die ersten Bedenken: Ich bin zwar einige Male im Vorfeld schwimmen gewesen, allerdings nicht 3,8km. Wenn meine bekannte Anfälligkeit für Seekrankheit zuschlägt, ist das Rennen vorbei bevor es noch richtig begonnen hat.
07:10 Uhr: Startsignal (standesgemäß mit einer Riesenmuschel geblasen) Ein paar kleinere Prügeleien gehören beim Massenstart dazu, es hält sich allerdings in Grenzen. Bereits beim Schwimmen versuche ich die Sache recht konservativ anzugehen, da ich doch einen riesen Respekt vor diesem Rennen habe. Nach ca. 10 Trainingstagen vor Ort kann ich in etwa erahnen, was mich erwarten wird. Dennoch ist die Pace auf der ersten Hälfte recht passabel. Noch bevor ich das „Wendeboot“ erreiche, fliegen schon die ersten Mädel Torpedos der AK 18-39 an mir vorbei. Da weißt du nicht, ob die Augen vom Wasser oder von den Frusttränen feucht sind. Dann geht’s nach rechts um das Boot ca. 50-75m, dann wieder rechts zurück Richtung Pier. Und dann…., ja dann geht die Pace zurück, obwohl die Zug Zahl und der Kraftaufwand subjektiv gesehen gleich bleiben. Eine leichte Strömung ist schuld daran, und wenn mir das der Robert nicht vorher gesagt hätte, hätte ich es auch nicht gemerkt.
01:14:39 ist jetzt sicher nicht das Gelbe vom Ei und wiederspiegelt das ganze Jahr, bei dem ich im Wasser nicht richtig in die Gänge gekommen bin.
Der Wechsel funktioniert gut und nach einer kurzen Wendestrecke auf dem Kuakini Highway durch Kona, geht es raus in die berüchtigte Einsamkeit des Queen Ka’ahumanu Highway. Bei der ersten von 19!! Aidstations muss ich einen Stop einlegen, da mich ein Geräusch am Rad kurz an den Rand eines Herzinfarktes bringt. Es hört sich an wie das Lager des Vorderades (das ich mir vom Rainer P. ausgeliehen habe). Ich hör mich sagen: „Oida was hast ma da mitgeben?“ Nach einigen nicht ganz feinen Ausdrücken komme ich darauf, dass ich wahrscheinlich über ein Gel gefahren bin und mehr als die Hälfte des Reifens verklebt war.
Im ersten Drittel der Radstrecke läuft’s recht gut, der Wind spielt (noch) keine Rolle und ich bewege mich bewusst am unteren Rand des vorgegebenen Wattbereichs (nur kein Risiko – heute ist das Ziel das Ziel). Kurz vor der Abzweigung auf den Akone Pule Highway Richtung Hawi kommen sie dann, die unberechenbaren Mumuku Winde. Die pfeifen vom Mauna Kea (der größere der beiden 4000m Vulkane) als Fallwinde herunter und machen sich sehr unangenehm als Seitenwind bemerkbar. Die letzten ca. 10km geht’s dann meist mäßig bergauf gegen den immer recht starken Wind der zwischen den Inseln Big Island und Maui durchbläst. In Hawi, ein kleines Dorf im Norden von Big Island erfolgt die Wende. (Wer mehr von Hawi wissen will, muss sich an die Kathi wenden, die wird dort sicher einmal Bürgermeisterin werden. Zitat: „Da geh i nimmer weg!!“)
Die ersten 10km sind mit Rückenwind noch in Ordnung, ab dann beginnt die Brutalität des Rennes spürbar zu werden. Es ist mittlerweile Mittag, die Sonne brennt von Minute zu Minute stärker, keine Wolke, keine Bäume, Lavafelder links und rechts, die Leistung sinkt weiter ab, jetzt allerdings nicht mehr gewollt. Wieder kommen Zweifel auf, wie ich das jemals ins Ziel bringen soll. Kampf von Labstelle zu Labestelle, je zwei Flaschen eiskaltes Wasser über Kopf und Körper, trotz offenen Aerohelms kocht die Birne hinter dem Visier. Dass die Beine nicht mehr die frischesten sind, liegt vielleicht auch daran, dass die letzte Lange erst 8 Wochen zurückliegt.
Irgendwann kommt wieder der Flughafen von Kona ins Blickfeld, ein Zeichen, dass es nur mehr ca. 15km in die WZ sind. Ich komme am Natural Energy Lab vorbei, sehe wie gerade der Lionel Sanders gehend heraus kommt. Kurz danach ein trabender/gehender Alister Brownlee, was meine Zweifel bezüglich meiner eigenen Leistung auch nicht gerade besser macht. In der WZ angekommen wird mir das Rad durch Helfer abgenommen, es folgt ein langer Weg über den gesamten Pier ins Zelt. Radzeit: 05:39:30
Laufschuhe anziehen, ich bekomme kalte nasse Tücher auf den Rücken gelegt, Verpflegung aufnehmen und wieder raus auf den ersten Teil der Palani Road, steil bergauf, rechts auf den Kuakini Highway und wieder rechts runter auf den Ali’i Drive. Ich bekomme mit, dass der Frodeno sich zum dritten Mal zum Weltmeister macht. Für mich fängt es jetzt erst richtig an. Für den Marathon gilt es nicht paceorientiert zu laufen, dafür hat er viel zu viele Höhenmeter (ca. 300m), sondern die HF in Grenzen zu halten, jeder der Labestellen (ca. alle 1,5 – 2km) zu nutzen um zu kühlen. Ich sehe Kathi und Renate mit der Österreichfahne am Straßenrand stehen, das gibt Kraft. Trotzdem sind die ersten 10 km in der Stadt mit relativ vielen Zuschauern mühsam, ich werde ständig überholt, versuche aber trotzdem bei meinem Plan zu bleiben – Geduld, Geduld. Nach der ersten Wende auf dem Ali’i Drive geht es zurück auf die Palani Road, rechts wieder steil rauf, ca. 400m, die meisten gehen hier. Anne Haug kommt mir entgegen und grinst von einem Ohr zum anderen – erste deutsche Weltmeisterin!
Bei einer Labestation bekomme ich ungewollt eine Eiswasserdusche ab. Eigentlich wollte ich so lange wie möglich meine Füße halbwegs trocken halten, um Blasen zu vermeiden – das hat sich jetzt erledigt – ich hab aber erst 13km. In der Vorbereitung habe ich mir dafür kleine Löcher in die Schuhsolen gebohrt, dass das Wasser besser abrinnen kann. Jetzt folgt der lange einsame Lauf auf dem Queen K Highway. Ca. 10km, kaum Zuschauer, lang gezogene Anstiege, das noch verbliebene Profifeld kommt mir entgegen, Damen, die noch um die vorderen Plätze kämpfen, abgeschlagene Herren, die sich nur noch ins Ziel schleppen. Dann der „Eingang“ in das Natural Energy Lab, eine Straße in Richtung Küste hinunter, der Glutofen der Laufstrecke, Schatten? – keiner! Nach 4km eine Wende und das Ganze wieder bergauf zurück – hier darf niemand außer Athleten und Offizielle hinunter – die Atmung wird schwerer – der leichte Wind, der hier vom Meer kommt, fühlt sich an wie ein Haarföhn – ich stopf mir den Anzug mit Eiswürfel voll, würde am liebsten 5, 6 Hände haben um alles zu greifen, was bei den Labestelle an Getränken angeboten wird. Beim Reinlaufen geht es mir nicht sehr gut, Kathi und Renate feuern mich an – ich habe kaum Kraft um irgendwie zu reagieren, ich steh‘ knapp vorm Gehen, stehen bleiben, niederlegen, …. aufhören …. „DNF“ schwirrt im Kopf herum …. . Dann kommt die Wende in zweierlei Hinsicht: ca. KM 27 – es geht zurück Richtung Ziel und es kommt wieder Leben in den Körper und das an der gefürchtetsten Stelle der Triathlonwelt. Ich werde etwas schneller und dann sind sie wieder da, viele von denen, die mich zu Beginn überholt haben, die mittlerweile auf „Wandertag“ umstellen mussten. Beim Rauslaufen vom Energy Lab stehen noch immer meine zwei Mädels und schreien mich an (jetzt fällt mir auf, dass die Kathi ein Bastrockerl an hat – ich muss lachen). Die letzten 12km sind wie bei jedem Marathon ein Kampf, doch jetzt gibt es keine Zweifel mehr. Der Zieleinlauf geht mir fast etwas zu schnell (Schuld sind der Ehrgeiz eine Zeit unter 11 Stunden zu erreichen und die Unfähigkeit in dem Zustand noch Kopfrechnungen anzustellen). Renate und Kathi schaffen es gerade noch rechtzeitig vom Energy Lab zum Zielkanal. Fast genau mit dem Sonnenuntergang und der beinahe gleichzeitig eintretenden Dunkelheit überquere ich nach einem 3:58:43 Marathon und einer Gesamtzeit von 11:01:25 die Ziellinie des Triathlonsports auf dem Ali’i Drive in Kailuna Kona Hawaii.
Das war meine fünfte Langdistanz, mit Abstand die Härteste, die Langsamste und die Teuerste. Aber jede investierte Minute, jeder investierter Euro/Dollar war es das wert!
Ich bin sehr dankbar, dass ich mit den besten der Welt am Start stehen durfte.
Ich habe mich riesig darüber gefreut, dass Renate und Kathi sich diese Reise, „ein verlängertes Wochenende auf Hawaii!“ angetan haben. Sehr leid tut mir, dass unsere Tochter, aufgrund der Schule nicht dabei sein konnte. Ein großer Dank geht an meine Eltern, die mich/uns im Vorfeld und während der Reise tatkräftig unterstützt haben. Einen sehr großen Anteil am Erfolg hat mein Coach Reinhard Friesenbichler, der mich mit ruhiger Hand durch alle Höhen und Tiefen dieser Saison geleitet hat – Danke dafür!
Und Danke an euch alle, dass ihr das alles mitverfolgt und mitgefiebert habt!